KI und Schreiben: Tipps und Empfehlungen

Jetzt haben wir also Heinzelmännchen. Klingt wie ein Märchen, ist es aber nicht.

Sag mir: Wie kann man euch zurück ins Reich der Fabeln schicken?

ChatGPT: KI-Chatbots wie mich kann man nicht einfach ins Reich der Fabeln zurückschicken, da wir keine realen Wesen sind, sondern Computerprogramme, die auf künstlicher Intelligenz basieren.

Also gut. Nachdem die Zwerge nicht wieder loszuwerden sind, kann man ihnen wenigstens ein paar Aufgaben geben. Schnell sind sie ja, und die Ergebnisse sind passabel, zumindest, wenn man ihnen ihre Aufgaben gut erklärt.

Hier meine Tipps und Empfehlungen für Autor/inn/en, Schreibcoaches und alle anderen, lektorieren, dramaturgisch begleiten oder anders mit Texten umgehen:

1. Artikelthemen, Plots, Charaktere brainstormen

Die meisten KI-Chatbots – genauer gesagt, die Large Language Models wie ChatGPT und Konsorten – sind fürs Brainstorming halbwegs geeignet. Voraussetzung ist allerdings, dass man ein Prompt baut, das die kreative Aufgabe klar definiert (also einschränkt) und dem Model eine Richtung vorgibt, indem man es mit inspirierenden Reizwörtern füttert. Die Ergebnisse sind nicht besser als bei anderen Methoden des Brainstormings, werden aber deutlich schneller geliefert.

Nachteil: Die Models produzieren nur Variationen von Themen, Geschichten und Figuren, die schon vielfach behandelt wurden. Jedenfalls bisher. Bei komplexeren Problemen ist es darum weiterhin zu empfehlen, sich hartnäckig selbst den Kopf darüber zu zerbrechen und sich dann unter der Dusche oder kurz vorm Einschlafen von der Inspiration überfallen zu lassen.

2. Filmtitel und Artikelüberschriften finden

Titelsuchen können gern zäh werden. Die Models liefern zu eingespeisten Texten (oder deren Zusammenfassungen) unproblematisch so viele ansprechende Titel, wie man möchte. Für gute Ergebnisse gilt es, mit dem Prompt die Rahmenbedingungen zu erklären, also z.B. das Genre, Art und Kontext der Veröffentlichung und andere Faktoren zu benennen und vielleicht auch die Tonalität des gewünschten Titels. Die ausgespuckte Liste bietet mindestens ein gutes Sprungbrett für die eigene Kreativität.

3. Recherche

Hier schwächeln viele KIs. Chatbots sind an sich nicht für eine aktive Internetrecherche designt. Manche von ihnen erfinden schlichtweg Forschungsliteratur, Fakten oder Nachrichten (sogenannte Halluzinationen). Es empfiehlt sich deshalb, die Fähigkeiten der jeweilig genutzte KI vorher unter die Lupe zu nehmen. Manchmal kann ein Plugin der KI hier auf die Sprünge helfen.

Perplexity.ai beherrscht diesen Job von Natur aus schon gut und liefert sogar Quellenangaben. Für wissenschaftliches Arbeiten und andere tiefergehende Recherchen kann das ein Einstiegspunkt sein, mehr aber auch nicht. Und für oberflächliche Informationen (à la „How many plane crashes happened 2022?“) kann man auch normale Suchmaschinen fragen.

4. Inhaltsangaben und Zusammenfassungen

Vorsicht! Speist man einen Text in eine KI ein, sollten die Rechte daran bei einem selbst liegen oder man sollte die Erlaubnis der Rechteinhaber zu dieser Nutzung besitzen. Alles andere bringt schwer abzuschätzende Risiken mit sich (auch zwischenmenschliche). Es ist zudem wahrscheinlich, dass der Text als Trainingsdatensatz verwendet wird.

Eine Einschränkung liegt in den unterschiedliche Tokenlimits der KIs (grob übersetzt: den verarbeitbaren Textlängen). Zwei KIs, die PDFs akzeptieren, sind ChatPDF und Claude. Ihre Endergebnisse unterscheiden sich deutlich; Claude schien mir dabei besser für Fiction geeignet und konnte sogar den Szenen-Breakdown eines Drehbuchs erstellen. Die produzierten Texte enthielten trotzdem noch den ein paar „Schluckaufe“, d.h. es wiederholten sich Textfragmente oder es fehlten signifikante Szenen. Bei komplexeren Werken können KI-Zusammenfassungen aber immerhin eine Rohfassung liefern, die einem als Grundlage für die eigene Arbeit dient.

5. Argumentation und Gedankenfluss verbessern

Es gibt verschiedenste Möglichkeiten, sich bei der Verbesserung von logischen und rhetorischen Gesichtspunkten eines Textes coachen zu lassen. Mithin ist es wichtig, der KI eine möglichst konkrete Aufgabe zu stellen. Soll sie weitere Argumente für eine vertretene Sache finden? Gegenargumente? Soll sie Schwachstellen aufdecken? Soll sie den Text hart kritisieren, damit du selbst Schwachstellen erkennen und bearbeiten kannst? Soll sie Tipps geben, wie der Text überzeugender werden kann? Soll sie eine alternative Perspektive auf ein Thema aufzeigen? Je größer die Klarheit über das, was man mit dem Prompt erzielen will, umso besser die Ergebnisse.

P.S.: Lädt man dabei Texte hoch, sollte man die unter 4. genannte Vorsicht walten lassen.

6. Dramaturgische Einschätzungen und konstruktives Feedback

Romane, Drehbücher und andere Erzählungen lassen sich von KIs nicht so leicht einschätzen wie nonfiktionale Texte. Denn hier geht es nicht nur um Logik und Rhetorik, sondern auch um Stimmungen, Erzählperspektive und -haltung, persönlichen Stil, thematische Tiefenstrukturen und anderes mehr. Was die poetische Ganzheit von Werken angeht, haben die KIs große blinde Flecken.

Beispielsweise können KIs normative dramaturgische Stärken und Schwächen benennen, bleiben dabei aber der Struktur des Plots und oberflächlicher Figurenzeichnung verhaftet und blenden andere Aspekte aus. Verbesserungsvorschläge bleiben deshalb konventionell oder sogar abgenutzt. Trainiert man die KI nun mit Folgeprompts, indem man ihr mehr Originalität abverlangt, ihr Stilistik und Tonalität erklärt, ihr das tiefere Thema des Stoffes nennt etc., dann verschwimmt ihr sehr schnell der Fokus und man bekommt unbrauchbare, fast chaotische Antworten. Der Grund: Aufgrund der Tokenlimits können die KIs keine umfassendere „Erinnerung“ des geführten Gesprächs mit all seinen Inhalten und inhärenten Referenzen abbilden. Komplexe Aufgaben können sie bisher nur erfüllen, wenn diese auf einfache Regeln rückführbar sind (Stichwort Datenanalyse).

Mit KIs lassen sich daher nur Einzelaspekte gut untersuchen. Man kann wie gesagt, die dramatische Struktur damit untersuchen, die Genreanteile eines Stoffes ausfindig machen, verstärken oder abmildern, ein sehr oberflächliches Sensitivity Reading durchführen lassen u.ä.m. Die Experten ersetzt man damit aber (noch) nicht.

P.S.: Wieder gilt: Lädt man Texte hoch, sollte man die Rechte dafür besitzen.

7. Stilistische Verbesserungen und Korrektorat

Für einfache redaktionelle Aufgaben wie die Korrektur von Ausdruck, Grammatik, Rechtschreibung und Interpunktion lassen sich ChatGPT und andere Tools gut einsetzen – jedenfalls wenn das jeweilige Sprachmodell genügend deutsche Trainingsdaten hat. Auch um die Verständlichkeit zu verbessern oder das sprachliche Niveau eines Textes anzupassen, eignen sich die KIs zumindest im ersten Schritt. Je spezieller die KI dafür trainiert ist, umso besser.

Ein aktueller Hinweis dazu: Die Reporterfabrik entwickelt eine Wolf-Schneider-KI nach den Schreibregeln des bekannten Publizisten. Das Tool soll redigieren und überarbeiten können und ausführliche Begründungen für die Korrekturen liefern. Es werden noch Test-User gesucht. Mehr dazu bei Turi 2.

Bei Romanen und anderer Fiction mit eigenpersönlichem Klang sind die Lektorierenden aus Fleisch und Blut unabdingbar. Sprachliche und stilistische Komplexität können die Tools noch nicht gut fassen.

Was noch?

Es gibt zahllose weitere Anwendungsmöglichkeiten. Man kann sich mit KI-Chatbots über Schreibblockaden hinweghelfen lassen, Marketingpläne für den Social Media-Auftritt erstellen und und und … Mit ergänzenden Tools lassen sich KIs mit GoogleDocs, Kalendern und anderen Apps verknüpfen und Abläufe automatisieren. Das Feld ist riesig – und dieser Blogartikel endlich.

Fazit: Prompting lernen

Es sollte klar geworden sein: Wie gut der Output eines Chatbots ist, hängt davon ab, wie gut man promptet. Prompting – das kluge Formulieren von Fragen und Anliegen – wird deshalb eine neue Kulturtechnik werden. Wie Lesen, Schreiben, Rechnen. Jeder sollte sich im Prompten üben – was im Grunde eine ganz alte Kunst ist: Die Kunst des Fragens.

Zum Schluss noch ein Pro-Tipp: Gibt die KI trotz präziser Formulierung deines deutschen Prompts keine guten Ergebnisse? Dann formuliere dein Prompt auf Englisch und bitte die KI, ihre Antwort auf Deutsch abzufassen. Oft beseitigt das das kulturelle Missverständnis zwischen dir und der maßgeblich mit englischsprachigen Texten trainierten KI.

Viel Vergnügen beim Erkunden der Schnittstelle zwischen Prompting, Dramaturgie und Schreiben.

P.S: Für Inhouse-Trainings oder persönliches Coaching zum Thema Prompting: Kontakt.